Shopping-Tourismus
Für viele Touristen gehört Shopping zur Reise unbedingt dazu, für manche ist Shopping sogar der wichtigste Grund, eine Reise anzutreten. Ein attraktives Warenangebot, günstige Preise, Zeit zum Bummeln – es gibt viele Gründe, warum Touristen Shopping so schätzen.
Von Einkaufstourismus oder Shopping-Tourismus wird insofern gesprochen, wenn ein zentrales Motiv bzw. das zentrale Motiv einer Reise im Einkaufen liegt. Beim Einkaufstourismus ist der Ort des Einkaufens nicht identisch mit dem dauerhaften Wohn- oder Arbeitsort, und Wohn- oder Arbeitsort des Konsumenten liegen auch nicht im üblichen Einzugsgebiet des betreffenden Einzelhandels. Insbesondere für den Städtetourismus gilt Einkaufen als eines der Hauptmotive neben Kultur, Bildung und Events. Daher profitiert vor allem der Einzelhandel in Großstädten oder in Städten mit historischen Sehenswürdigkeiten von Shopping-Touristen. Für Factory-Outlet-Center und Einzelhandelsangebote in Freizeitdestinationen (z.B. Themenparks) stellen Shopping-Touristen die herausragende Kundengruppe dar, auch in überregional ausstrahlenden Shopping-Centern gewinnen diese Kundengruppen zunehmend an Bedeutung.
Ein weiteres Beispiel ist der Einkaufstourismus im Grenzgebiet. Hier führt die günstige Lage zum benachbarten Ausland vor allem dann, wenn bei ausgewählten Produkten bzw. Warengruppen ein Preisgefälle besteht, zu einem grenzüberschreitenden Einkaufsverkehr.
Auch in Deutschland ist Shopping bei ausländischen Besuchern beliebt, die in den großen Städten und Shopping Malls einen signifikanten Anteil des Einzelhandelsumsatzes ausmachen. Die durchschnittliche Höhe der Kassenbons der Shopping-Touristen ist dabei ein Vielfaches derjenigen der deutschen Kunden. An der Grenze zur Schweiz kommen darüber hinaus Tagesbesucher, die sich im deutschen Grenzgebiet mit Waren des täglichen Bedarfs ausstatten.
Die Bedeutung des Shopping-Tourismus steigt stetig an. Laut einer Studie des EHI freuten sich in 2008 deutsche Händler über 15,7 Mio. ausländische Touristen. 10 Jahre später war diese Zahl bereits um 45 Prozent auf 22,9 Mio. gestiegen. Die Anzahl der Touristen von außerhalb der EU, die in den Genuss einer Mehrwertsteuerrückerstattung kommen, ist im selben Zeitraum um 75 Prozent auf 16,1 Mio. angewachsen. Dementsprechend ist der Umsatz mit Tax-Free-Einkäufen von knapp 1 Mrd. auf fast 2,6 Mrd. Euro pro Jahr gestiegen – Wachstumsraten, die für den Einzelhandel insgesamt in Deutschland geradezu paradiesisch sind.
Mehrwertsteuer-Rückerstattung
International ist es üblich, Touristen, die ihre Einkäufe bei der Ausreise mit über die Grenze nehmen, die auf diese Einkäufe gezahlte Mehrwertsteuer zu erstatten. Aufgrund von rechtlichen Bestimmungen der EU können so auch Einzelhändler in Deutschland Kunden mit Wohnsitz außerhalb der Europäischen Union, die ihre Einkäufe mit über die Grenze nehmen, die gezahlte Mehrwertsteuer erstatten. Für Touristen von außerhalb der EU, aber auch für Grenzgänger aus der Schweiz, wird der Einkaufstourismus so zum „mehrwertsteuerfreien Einkauf“ („Tax-free Shopping“). In der Möglichkeit der Mehrwertsteuerrückerstattung liegt so auch ein zusätzliches Motiv für den Einkaufstourismus in Deutschland.
Das Verfahren zur Mehrwertsteuerrückerstattung ist allerdings recht kompliziert. Zunächst muss im Geschäft ein Ausfuhr- und Abnehmernachweis vorbereitet werden, aus dem Name, Firma und Anschrift des Händlers, die Warenbezeichnung und der entsprechende Rechnungsbetrag und Name, Anschrift und Ausweis- oder Passnummer des Kunden hervorgehen.
Bei der Ausreise lässt sich der Kunde an der Grenze dann den Ausfuhr- und Abnehmernachweis vom Zoll durch Stempelabdruck bestätigen.
Im letzten Schritt reicht der Tourist diese Bestätigung beim Händler ein, der dann die gezahlte Mehrwertsteuer erstattet, anstatt sie an das Finanzamt abzuführen. Zusätzlich muss er die entsprechenden, durch den Zoll abgestempelten Ausfuhrnachweise sorgfältig aufbewahren.
Verfahren der Mehrwertsteuerrückerstattung
Da dieses Verfahren recht aufwändig ist, beauftragen viele Einzelhändler zunehmend auch besondere Dienstleister mit der Abwicklung des gesamten Prozesses. Im Bereich der Mehrwertsteuerrückerstattung für Touristen haben sich so international eine Reihe hochspezialisierter privatwirtschaftlicher Dienstleister – die Mehrwertsteuerrückerstattungs-Dienstleister (MRDs) oder englisch VAT Refund Operators (VROs) – etabliert, die weltweit mit den Zollbehörden zusammenarbeiten. Diese hochspezialisierten Dienstleister sorgen im Auftrag des Einzelhandels für Rechtssicherheit und Kundenzufriedenheit. Gerade im Bereich des internationalen Shopping-Tourismus ist dies heute weitverbreitet. Andere Einzelhändler – vor allem an der Schweizer Grenze – ziehen es aber auch vor, den gesamten Prozess weiterhin in eigener Regie durchzuführen.
Verfahren der Mehrwertsteuerrückerstattung in Zusammenarbeit mit einem Mehrwersteuerrückerstattungs-Dienstleister (MRD)
Digitalisierung
Nachdem 2009 in Finnland weltweit die erste digitale Zollabfertigung für Touristen implementiert worden war, zogen international auch viele andere Länder nach. Mehrere Länder der EU, darunter Frankreich, Italien und Spanien, aber auch Länder wie Uruguay oder Singapur haben den Zollstempel schon vor vielen Jahren vollständig digitalisiert, d.h., eine manuelle Abfertigung an der Grenze anhand von Papierbelegen erfolgt überhaupt nicht mehr. In den meisten EU-Ländern, darunter auch in Finnland, bestehen digitale Abfertigungsmöglichketen parallel zu dem weiter fortgeführten manuellen System.
Teils haben die betreffenden Länder dabei eigene IT-Lösungen entwickelt (Frankreich 2010, Italien 2015, Spanien 2016, Portugal 2018, Tschechien 2019), teils greifen sie aber auch auf die IT-Lösungen privatwirtschaftlicher Anbieter zurück – dies ist insbesondere in den kleineren Ländern wie Finnland, Estland, Zypern oder Österreich der Fall.
Deutschland gehört zu den Ländern, in denen es bisher weiterhin ausschließlich das manuelle Verfahren der Abfertigung durch den Zoll gibt. Allerdings befindet sich auch in Deutschland eine Digitallösung seit Längerem in Vorbereitung.
Digitalisierung der Zollstempel in Deutschland
Die Erstattung der Mehrwertsteuer wurde in den letzten Jahren auch in Deutschland bereits weitgehend digitalisiert. Händler und Mehrwertsteuer-Rückerstatter haben so den Prozess vereinfacht, beschleunigt und sicherer gemacht. Auf Seiten des Zolls sieht das bisher allerdings anders aus: Hier muss nach wie vor jeder Ausfuhrkassenzettel manuell abgestempelt werden.
Der Umstand, dass in Deutschland beim Zoll nach wie vor ausschließlich das manuelle Verfahren besteht, bringt für alle Beteiligten erhebliche Nachteile und Probleme mit sich. Verkehrsstaus an den Landesgrenzen zur Schweiz und Warteschlangen an den Flughäfen bedeuten für die Reisenden selbst, aber auch für ihre Umwelt eine erhebliche Belastung. Der Einzelhandel wird darüber hinaus dadurch belastet, dass alle Belege – und darunter auch die durch den Zoll abgestempelten Papierbelege – mindestens 10 Jahre lang physisch aufbewahrt werden müssen. Zudem fällt es dem Handel und seinen Steuerprüfern oft schwer, die Echtheit von Zollstempelbildern zu überprüfen.
Aus Sicht des Zolls ist vor allem der hohe Personal- und Zeitaufwand bei der manuellen Erteilung der Zollstempel ein erheblicher Nachteil, vor allem auch angesichts einer knappen Personalausstattung und anderer wichtiger Aufgaben. Gleichzeitig bietet eine digitale Lösung auch einen besseren Schutz gegen Betrug und gewährleistet eine adäquate Kontrolle der Ausfuhren und damit der Voraussetzungen für die Steuerbefreiung.
Für die Grenzregion zur Schweiz wird eine elektronische Abfertigung im mehrwertsteuerfreien Einkauf für Touristen daher bereits seit 2013 diskutiert. Zuletzt hat die Bundesregierung dem Deutschen Bundestag am 18. Mai 2021 über das Projekt berichtet, siehe hier. Demnach besteht bei der Generalzolldirektion weiterhin ein Projekt, das aktuell auf die Digitalisierung der Ausfuhrkassenzettel zunächst an der Grenze zur Schweiz ausgerichtet ist. Erst zu einem späteren Zeitpunkt solle eine mögliche Übertragung auf die Flug- und Seehäfen geprüft werden. Inzwischen hat die Bundesregierung allerdings an anderer Stelle klargestellt, dass „sich das Modell für die Schweizer Grenze nicht nahtlos auf die Flug- und Seehäfen übertragen lässt“. Hier bedürfe es vielmehr zunächst der Entwicklung einer geeigneten Lösung.
Mindesteinkaufsbeträge
Viele Schweizer, die nahe der Grenze zu Deutschland leben, kaufen Waren des täglichen Bedarfs in Deutschland ein. Bei der Heimreise mit dem Auto stoppen sie an der Grenze, um sich vom Zoll die entsprechenden Ausfuhr- und Abnehmernachweise abstempeln zu lassen, da sie nur so in den Genuss der Mehrwertsteuerrückerstattung kommen. Es wird berichtet, dass in Spitzenzeiten teilweise bis zu 1.000 solcher Nachweise in der Stunde durch den Zoll zu bewältigen waren.
In der Region wurde immer stärker das mit dieser Situation einhergehende Verkehrschaos beklagt. In einem Bericht an den Deutschen Bundestag bemängelte der Bundesrechnungshof 2017 außerdem, dass die notwendigen Kontrollen damit nicht mehr gewährleistet seien. Gleichzeitig würden verstärkte Kontrollen an der Schweizer Grenze den Verkehr in der gesamten Region zusätzlich beeinträchtigen, weil sich die Fahrzeuge bis in die Ortslagen zurückstauen würden. Um den Verkehr aufnehmen zu können, müssten zudem neue bzw. größere Grenzzollämter, weitere Zollstraßen, Parkplätze und Kontrollflächen gebaut sowie die Anzahl der Zöllnerinnen und Zöllner für die Prüfung der Ausfuhr- und Abnehmernachweise vervielfacht werden.
Der Bundesrechnungshof schlug dem Gesetzgeber daher die Einführung von Mindesteinkaufswerten vor, wie sie nach europäischem Recht erlaubt wäre. Unter Mindesteinkaufswerten versteht man den Mindestbetrag (inklusive der Umsatzsteuer) für alle Einkäufe in einem Geschäft auf einer Rechnung, ab der die Umsatzsteuerbefreiung gilt. Für Einkäufe unterhalb der Wertgrenze können sich die Touristen von außerhalb der EU die Mehrwertsteuer nicht erstatten lassen.
Nach längeren politischen Diskussionen wurde schließlich Ende 2019 in Deutschland eine entsprechende Bagatellgrenze von EUR 50 festgelegt, bis zu der Warenlieferungen nicht mehr als umsatzsteuerbefreite Ausfuhrlieferungen behandelt werden. Dieser Mindesteinkaufsbetrag tritt jedoch zum Ende des Jahres außer Kraft, in dem die Ausfuhr- und Abnehmernachweise in Deutschland erstmals elektronisch erteilt werden können.
Insbesondere bei Warenausfuhren in die Schweiz bedingt die Prüfung der Bagatellgrenze aufgrund der Komplexität der damit verbundenen Fragen einen erheblichen Verwaltungsaufwand, ohne dass es hierfür nach Einführung einer digitalen Ausfuhrlösung noch eine Rechtfertigung gäbe. So sind bspw. Pfandgelder auf Warenumschließungen, die dem Abnehmer bei der Lieferung berechnet werden, grundsätzlich bei der Ermittlung der Wertgrenze mit einzubeziehen. Selbiges gilt für Lieferungen von Waren, die zur Ausrüstung oder Versorgung eines privaten Beförderungsmittels (z.B. Pkw, Kombiwagen, Sportboot, Segelyacht, Flugzeug) dienen, obwohl diese Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr von der Steuerbefreiung ausgeschlossen sind. Bei der Ermittlung der Wertgrenze sind hingegen Mehrzweckgutscheine und sog. After-Sales Gutscheine auszuschließen.